Kurze Leseprobe:
(...)
Noch während wir auf der kleinen Sicheldüne neben
unseren Fahrzeugen saßen, hörten wir aus der Ferne
näherkommendes Geräusch von Motoren und sahen bald schon
in drei Sandstaubwolken drei Pickups, die sich rasch näherten.
Unmittelbar vor uns stoppten sie und verließen ihre Wagen.
Insgesamt zählte ich 12 Personen, die uns in einem Halbkreis
umringten und uns mit ihren AK-47 bedrohten.
Amir fragte den Anführer der Gruppe, was diese Drohgebärde
zu bedeuten habe.
„Das kannst du dir nicht denken?“, erwiderte dieser
in recht gutem Englisch. „Schon seit Libyen haben unsere
Leute versucht, diese Feinde unserer Al-Qaida-Brüder zu töten.
Jedes Mal ging dieser Versuch schief. Wir erhielten aber vor drei
Tagen die Nachricht, dass sie durch die Ténéré
wollten und wurden daraufhin von unseren Brüdern in Bilma
verständigt. Zufällig befand sich eine kleine Gruppe
von uns, zu der auch ich zählte, in Archegour. Wir verluden
Wasser, Diesel und Lebensmittel und brachen wenig später
nach Süden zum ‚Ex-Arbre du Ténéré‘
auf, an dem ihr ja vorbeikommen musstet. Da dies offenbar noch
nicht geschehen war – wir fanden keine ‚frischen‘
Spuren dreier Fahrzeuge im Sand – fuhren wir euch nun entgegen.“
„Was haben die Deutschen euch getan, dass es für euch
so wichtig ist, sie gefangen nehmen zu wollen?“, wollte
Amir wissen.
„Sie sind verantwortlich dafür, dass vor gut 14 Jahren
viele Brüder von uns in Kidal von deutschen Soldaten erschossen
wurden…“
„…die aber doch nur von euren Kriegern entführte
deutsche Geiseln befreien wollten…“
„Du stellst dich auf ihre Seite?!“, wurde er vom Anführer
der Gruppe angeherrscht und mit einer Salve aus seinem Gewehr
niedergestreckt. Abdul, sein Bruder, griff blitzschnell hinter
sich in das Auto seines Bruders und kam mit einem entsicherten
Schnellfeuergewehr in der Hand wieder aus dem Auto heraus und
eröffnete seinerseits nun das Feuer auf die Angreifer. Vier
von ihnen sanken tödlich getroffen in den Sand, dann wurde
auch er von einem der mutmaßlichen Al-Qaida-Kämpfer
getroffen und brach tot neben seinem Bruder zusammen.
Für einen Moment herrschte absolute Stille.
Der Anführer der Gruppe drehte unseren Guide und seinen Bruder
mit dem Fuß um und konstatierte nur kurz halblaut: „Tot.
Alle beide.“ Dann wandte er sich uns zu. „Ich weiß,
dass ihr damals die deutsche Eingreiftruppe heimlich verständigt
und so erst ihren Überfall auf unsere Brüder ermöglicht
habt. Zwar habt ihr selbst nicht geschossen und niemanden getötet,
aber ihr seid letztlich mitverantwortlich für den Tod unserer
Brüder in Kidal. Insofern müssten wir euch töten.
Das wäre aber zu einfach. Ihr sollt viele Tage leiden und
euch noch einmal an all das erinnern, was ihr letztlich zu verantworten
hattet. Eure Guides können euch nicht mehr helfen, wir werden
sie zusammen mit unseren Toten begraben. Ihren Wagen nehmen wir
mit, eure Wagen werden wir unbrauchbar machen, und dann könnt
ihr ja sehen, wie ihr alle nacheinander zusammenbrecht und verdurstet.
Kleiner Tipp: Folgt unseren Spuren in Richtung des ‚Ex-Arbre
du Ténéré‘. Vielleicht begegnet ihr
sogar einer Salzkarawane, die euch rettet, was aber sehr unwahrscheinlich
ist. Vielleicht findet euch jemand, der auch zufällig diese
Piste benutzt. Vielleicht findet man aber auch in ein paar Wochen
eure verdursteten, ausgetrockneten Körper.“
Wir standen wie erstarrt da und konnten uns vor Entsetzen nicht
bewegen. Während zwei aus der Gruppe uns mit ihren Kalaschnikovs
in Schach hielten, schaufelten die übrigen ein großes
Grab, in das sie ihre vier Kämpfer und unsere beiden Guides
hineinlegten, die Totengebete sprachen und sie dann unter dem
Sand begruben.
Danach fuhren sie, ohne uns eines Blickes zu würdigen wieder
in die Richtung, aus der sie gekommen waren, wobei sie auch das
Auto unseres Guides mitnahmen, nachdem sie mit Gewehrsalven die
Reifen unserer beiden Wagen zerschossen hatten und alles für
sie Interessante aus unseren Autos in ihre Autos umgeladen hatten
einschließlich unserer Wasservorräte.
„Na toll,“ erklang Gils Stimme nach ein paar Minuten
der Stille. „Da haben wir ja gleich wieder den direkten
Anschluss an unsere Entführungsgeschichte…!“