Kurze Leseprobe:
(...)
Es war schon dämmerig, als wir die Lichtung erreichten, auf
der sich bereits etliche Hunde und einige Katzen um Wolf geschart
hatten. Wir wurden freundlich begrüßt und warteten
gemeinsam noch auf die letzten Teilnehmer der geplanten Aktion.
Als diese endlich eingetroffen waren – offenbar besaß
Wolf einen genauen Überblick über alle, die sich bereit
erklärt hatten, bei dem Erstürmen des Labors und der
Befreiungsaktion mitzumachen – begrüßte Wolf
noch einmal ‚offiziell’ alle Anwesenden und teilte
bereits hier die drei Gruppen ein, in denen an den drei verschiedenen
Stellen das Eindringen unter dem Zaun des Geländes vorgenommen
werden sollte. Othello und ich gehörten demnach zu der
Gruppe, deren Leitung Chico übertragen worden war. Noch
einmal wurde das geplante Vorgehen besprochen, das mit einem dreifachen
Bellen von Wolf eröffnet werden sollte. Dann setzten wir
uns, getrennt von einander und aufgeteilt in eben diese drei Gruppen,
in Bewegung. Ich hatte zuvor versucht, einmal rasch zu überschlagen,
wie viele RHBF-Mitglieder sich für diese Befreiungsaktion
eingefunden hatten. Etwas mehr als 20 Tiere hatte ich gezählt.
Das war ja doch eine beachtliche Streitmacht, mit der man sicherlich
einiges erreichen konnte.
Inzwischen war es dunkel geworden, wobei
allerdings der schon jetzt recht hell scheinende Mond diese Dunkelheit
etwas relativierte. Wir folgten Chico, der uns durch das Unterholz
abseits von befahrenen Straßen sicher in die Nähe des
Labors führte. Nach geschätzten 50 Minuten, hatten wir
das Ziel erreicht und hielten vor einem hohen Zaun. Wir mussten
nur kurze Zeit warten, da sahen wir im fahlen Mondlicht die anderen
beiden Gruppen an den beiden schräg gegenüberliegenden
zuvor besprochenen Stellen ankommen. Nun begann Chico als erster,
mit seinen Pfoten ein Loch unmittelbar vor dem Zaun zu graben.
Nach und nach wechselten wir uns mit ihm ab, bis das Loch groß
genug war, uns unter dem Zaun hindurch den Zugang zum Werksgelände
des Labors zu ermöglichen.
Nach einander schlüpften wir durch
den Zaun und näherten uns, wie verabredet von unserer Seite,
tief an den Boden geduckt, dem Gebäude, in dem das Labor
untergebracht sein sollte. Ich war furchtbar aufgeregt und spürte
mein Herz so kräftig schlagen, dass ich glaubte, die anderen
um mich herum müssten das unbedingt hören. Chico schaute
sich nach mir um als wollte er sich vergewissern, dass ich nicht
vor dem Zaun zurückgeblieben oder umgekehrt war. Ich sah
ihn an und folgte ihm weiter, zusammen mit den anderen.
Wenig später erreichten wir die
verabredete Stelle vor der großen Tür. Das Fenster
daneben war leider geschlossen. Von den anderen war im Moment
noch nichts zu sehen – wir hofften aber, dass auch sie an
ihrem Zielpunkt angekommen waren. Wir warteten aufgeregt auf Wolfs
Zeichen: Er wollte ja dreimal ganz laut bellen – dann sollten
wir anfangen Lärm zu machen, falls ein Eindringen durch das
Fenster nicht möglich sein sollte. So sollten die Laboranten
oder – falls vorhanden - Securities aus dem Gebäude
gelockt werden, und während sie die Tür öffneten,
wollten wir hineinstürmen und das Labor besetzen, die Tiere
befreien und dann das Labor durch Wolf sprengen lassen. So zumindest
war der Plan.
Wir folgten Chicos Beispiel und kauerten
uns ganz dicht an den Boden, um möglichst spät gesehen
zu werden, für den Fall, dass jemand vorzeitig aus dem Gebäude
kommen sollte. Die Luft schien zu stehen, so sehr war die Spannung
gestiegen.
Da – ruckartig hoben wir alle beinahe
gleichzeitig wie auf Kommando den Kopf. Es erklang das verabredete
Zeichen, das dreimalige raue Bellen von Wolf. Wir sprangen sofort
auf und stimmten ein furchtbares Gebell an und veranstalteten
einen wahren Höllenlärm. Wie geplant ging die Tür
vor uns auf und zwei Männer – offenbar ein Security
und ein Laborant - stürmten heraus. Chico sprang den
Vorderen der beiden an und biss ihn ins Bein. Der andere wollte
seinem Kollegen zu Hilfe eilen und ließ für einen Moment
die Tür aus den Augen. Diesen Moment nutzten wir aus und
stürmten in das Gebäude hinein. Chico ließ den
Mann los und folgte uns rasch, ehe die schwere Tür ins Schloss
fiel. Schon nach ganz kurzen Augenblicken hatten sich unsere Augen
an die dämmerige Beleuchtung gewöhnt. Wir sahen die
zweite und dann auch die dritte Gruppe uns entgegenkommen –
offenbar war es ihnen gelungen durch die Fenster neben den Türen
in die Laborhalle einzudringen.
Wolf kommandierte uns zu den Käfigen
hin, in denen sich erbärmlich heruntergekommene Gestalten
befanden, ängstlich zusammengekauert, als wollten sie nicht
bemerkt werden. Ein Hebel mit einem Zapfen bildete die Verriegelung.
Es gab kein Schloss. Wahrscheinlich waren sich die Laboranten
sicher, dass die Tiere aus eigener Kraft diesen Riegel nicht würden
anheben können, um die kleinen Gattertüren zu öffnen.
Wolf machte es uns ein-, zweimal vor
und dann übernahmen wir die übrigen Käfigtüren.
In weniger als drei Minuten hatten wir alle Käfigtüren
geöffnet und die armen, verängstigten Tiere herausgeholt.
Während wir nun unter Wolfs und Chicos Leitung den Rückzug
durch die beiden inzwischen geöffneten hinteren Türen
zu organisieren versuchten, drangen zeitgleich der Security-Mann
und der Laborant wieder in die Halle ein. Anscheinend war es ihnen
gelungen, die hinter uns ins Schloss gefallene Tür wieder
zu öffnen. Was sie sahen, ließ sie erschrocken erstarren:
Leere Käfige mit geöffneten Türen gähnten
ihnen entgegen und machtlos, ohne es noch verhindern zu können,
sahen sie die letzten Tiere durch die hintere Labor-Halle entkommen.
Während wir den geschwächten
Tieren halfen, über den Platz in Richtung Zaun zu entkommen,
ertönte hinter uns eine durch Mark und Bein gehende Alarm-Sirene,
und gleichzeitig flammten überall Scheinwerfer auf. Genau
das hatte Wolf uns zuvor prophezeit. Er hatte uns wissen lassen,
dass er es ganz bewusst darauf anlegen wolle, um diesen Moment
zu nutzen, wenn alles auf uns und die befreiten Tiere fokussiert
sein würde, mit Chico außen am Zaun herum zulaufen,
von hinten wieder in die Halle einzudringen, die dann ja unbewacht
sein musste, um dort ein Feuerwerk zu entfachen. Während
wir uns dem zweiten Vertreter von Wolf anvertrauten, der uns sicher
zurück zu unserem Treffpunkt im Wald führen wollte,
gelang es Wolf und Chico tatsächlich, mehrere große
Gefäße mit purem Alkohol, in den man Teile von getöteten
Tieren, etwa deren Organe oder auch Teile von Gliedmaßen,
‚eingelegt’ hatte, umzuwerfen, so dass sich diese
brennbare Flüssigkeit auf dem Boden rasch verteilen konnte.
Zusammen rissen sie ein Stromkabel auseinander und warfen die
Strom führenden Enden auf den Boden. Bevor die Flüssigkeit
die Kabelenden erreicht hatten, waren die beiden bereits wieder
durch die hintere Tür entkommen und hörten, noch während
sie durch das Loch im Zaun krochen, hinter sich einen lauten Knall
und sahen, als sie sich umdrehten, einen großen Feuerschein.
Ihr Anschlag war also gelungen. Auch wir sahen von weitem das
Feuer. Es durchdrang die Dunkelheit und war weithin sichtbar.
Wir atmeten tief durch und konnten uns nun weniger geduckt vorwärts
bewegen, da unsere möglichen Verfolger vermutlich mehr mit
der Bekämpfung der Flammen als mit unserer Verfolgung zu
tun haben würden
(...)